Die drei Zauberfragen – oder wie Sie es schaffen, Ihre Kinder zu erziehen – ohne zu meckern

Es geht im #gemeckerfreien Alltag nicht darum, alles hinzunehmen und zu tolerieren. Es geht aber sehr wohl darum, die wohlwollende Absicht des Kindes zu erkennen. Zu bemerken, dass es Erfahrungen sammelt, und zu sehen, dass wir selbst nicht das Maß aller Dinge sind. 

Meine persönliche Meinung ist eine unter mehreren und wir sollten jedem Mitglied der Familie denselben Stellenwert und damit dieselbe Meinungsfreiheit zugestehen. Erst dann wird ein „gleichwürdiger“ Umgang möglich.

Ein harmonisches Familienleben ohne Meckern – das wünschen wir uns alle. Im Alltag kommen viele aber nicht ohne Schimpfen in der Erziehung der Kinder aus. 

Geben Sie nicht zu schnell auf!

Diese Motivation entsteht – in Bezug auf ein Familienleben ohne Meckern – entweder dadurch, dass wir einfach genug haben von all dem Gemecker und Geschrei zu Hause, oder dadurch, dass wir eine große Sehnsucht in uns spüren, einen liebevolleren Alltag zu erleben. Der größte Stolperstein auf dem Weg in einen #gemeckerfreien Alltag liegt darin, dass wir zu schnell aufgeben.

Wir beschäftigen uns mit etwas Neuem, probieren es aus und wenn es nicht sofort funktioniert und zu den erhofften Erfolgen führt, zweifeln wir entweder an den neuen Maßnahmen oder an uns selbst.

Drei „Zauberfragen“ für weniger Meckern

Im Laufe der Jahre haben sich für uns drei „Zauberfragen“ herauskristallisiert, die uns in unzähligen Momenten Orientierung geben konnten und uns geholfen haben, unsere Reaktionen zu steuern. 

Die erste Zauberfrage lautet: Was könnte schlimmstenfalls passieren?Ich erinnere mich daran, wie happy ich war, als sich unsere zwei Kleinkinder das erste Mal zehn Minuten alleine beschäftigten, sodass ich in Ruhe den Fußboden saugen konnte. Herrlich! Als ich fertig war und zu den Kindern ging, wurde mir schnell klar, warum ich ungestört saugen konnte. 

Sie hatten einen Riesenspaß dabei, die Primeln und Veilchen, die ich am Vormittag mit ihnen eingepflanzt hatte, wieder auszubuddeln.

Solche Erlebnisse können unsere Nerven zum Zerreißen bringen und uns meckern lassen. Genau betrachtet, sind es jedoch harmlose Ereignisse. (…) 

Gleichzeitig hilft uns die Frage auch zu erkennen, wann wir eingreifen müssen. Denn wenn wir feststellen, dass sich das Kind selbst oder jemand anderen in Gefahr bringt, können wir eine Grenze setzen. Das Kind wird die Klarheit unseres Handelns verstehen und nachvollziehen.

Die zweite Zauberfrage lautet: Würde ich das mögen?

Wir alle machen Fehler. Wir kommen zu spät, vergessen etwas einzukaufen, unterbrechen jemanden im Gespräch oder saugen ein geliebtes Legoteilchen ein. Nichts davon geschieht absichtlich oder weil wir jemanden ärgern wollen. 

Wenn wir wegen dieser Dinge kritisiert oder gemaßregelt werden oder sich jemand über uns beschwert, fühlt sich das meistens nicht gut an.

So geht es auch unseren Kindern: Sie mögen kein Gemecker und keine Kritik. Und so ist das mit vielen anderen Dingen auch. Wenn wir bestimmte Dinge nicht mögen, wieso sollen unsere Kinder sie mögen?

Die dritte Zauberfrage lautet: Was würde die Liebe tun?

Neulich fehlten bei uns in der Küche viele kleine Schüsseln. Sie waren bei den Kindern in den Zimmern. Ich hatte schon am Tag davor darum gebeten, dass sie das Geschirr wieder in die Küche bringen. Aber es war nicht passiert. 

Natürlich hätte ich mich nun aufregen, über die Kinder beschweren oder rummeckern können. Stattdessen fragte ich mich „Was würde die Liebe tun?“ und atmete tief durch.

Ich entspannte mich, erinnerte mich daran, was wirklich wichtig ist, und bat ganz entspannt darum, das Geschirr kurz zu bringen. Eine Minute später waren alle Schüsseln in der Spülmaschine und die Situation war gelöst. 

Niemand hatte ein schlechtes Gefühl, war genervt oder verärgert. Zudem war es eine Möglichkeit für unsere Kinder zu lernen, wie man Dinge ansprechen kann, die einen stören, ohne dass daraus ein Streit entsteht.

Bei der dritten Zauberfrage geht es um die Qualität der Beziehungen. Denn es dient niemandem, wenn ich mein Kind für mein schlechtes Gefühl verantwortlich mache. Wichtig ist vielmehr, in einen echten Dialog zu kommen. Dann kann ich auch liebevoll benennen, welches Bedürfnis ich gerade habe oder was mich stört.

Nicht zu Schimpfen muss man üben

Übertragen auf den Weg hin zu einem #gemeckerfreien Alltag durchlaufen Sie vier Schritte:

  1. Unbewusste Inkompetenz

Sie wissen nicht, weshalb Sie eigentlich meckern und welche Änderungen notwendig wären, um #gemeckerfrei zu werden. Sie finden den Ansatz, einen Alltag ohne Gemecker zu erleben, spannend, wissen aber noch nicht, wie Sie dies realisieren könnten.

  1. Bewusste Inkompetenz

Sie erfahren – zum Beispiel beim Lesen dieses Textes –, dass man Kinder nicht erziehen kann und Erziehungstipps nicht dienlich sind. Ihnen wird bewusst, dass Sie häufig negative Gedanken denken oder Sie sich Sorgen um Ihre Kinder machen. Sie reflektieren alte Glaubenssätze und Zweifel und denken an Situationen, in denen es Ihnen bisher noch nicht gelingt, die Mama oder der Papa zu sein, die Sie gerne sein möchten.

Das fühlt sich oft erst mal alles andere als gut an, denn Ihre Inkompetenz wird Ihnen bewusst. Diese bewusste Inkompetenz ist jedoch lediglich eine Phase. Sie bedeutet nicht, dass Sie es nicht schaffen können oder mit Ihnen etwas nicht stimmt.

  1. Bewusste Kompetenz

In dieser Phase beginnen Sie, mit den Ideen zu arbeiten. Sie beobachten Ihre Gedanken und Gefühle, haben Ihre Familienvision vor Augen und erleben erste Veränderungen im Alltag. Sie erproben sich und entwickeln und trainieren die bewusste Kompetenz.

  1. Unbewusste Kompetenz

Wenn Sie sich weiterhin intensiv mit #gemeckerfrei beschäftigen, wird aus der bewussten Kompetenz eine unbewusste Kompetenz. Ihr Verhalten hat sich dauerhaft verändert. 

Als Mama oder Papa begleiten Sie Ihre Kinder jetzt ganz bewusst ohne meckern. Die unbewusste Kompetenz werden Sie eher selten bewusst wahrnehmen. Sie wird Ihnen vermutlich lediglich auffallen, wenn Sie schon längere Zeit nicht mehr über ein bestimmtes Verhalten nachgedacht haben.

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch „#gemeckerfrei – warum Erziehung nicht funktioniert und wie wir die Eltern sein können, die wir sein wollen“ von Uli Bott und Bernd Bott, erschienen im Herder-Verlag.